Karbener LiteraturTreff e.V.



Bericht vom 28. Juni
Länder in der Literatur: Iran - Irak



Ort: KUHtelier, Groß Karben, im Schlosshof von Leonhardi
Zeit: 19.10 - 22:50 Uhr
Anwesende: ca.40 Personen

In Vertretung für Hans-Martin Thomas begrüßt Dieter Körber die Gäste. Mit viel Begeisterung haben Almut Rose und Hans Kärcher diesen Abend vorbereitet. Zur Veranschaulichung werden in einer Power Point Präsentation Fotos und Landkarten von Iran und Irak an die Wand projiziert. Als Muttersprachler werden uns Zeinab Miranzadeh und Mohammad Mousavi die persische Sprache näher bringen.
Hans Kärcher und Almut Rose führen uns ein in die persische und arabische Literatur. Persisch und Arabisch, die beiden Sprachen, werden beide in arabischer Schrift geschrieben. Die gemeinsame Schrift entstand um 800 in Bagdad. Das Gebiet dieser beiden Länder umfasst das Tiefland um die beiden Flüsse Euphrat und Tigris, die Keimzelle einer der ersten Zivilisationen. Für das Arabische haben sie Geschichten aus Tausend und eine Nacht ausgesucht, die unter dem Kalifen Harun al-Raschid entstanden sind.
Von Fritz Böhner hören wir die Erlebnisse von Aladin und die Wunderlampe. Die Rahmenhandlung ist die Geschichte von König Scheherban, der seine Frau hinrichten lässt, weil sie ihn mit einem Sklaven betrogen hat. Da er den Frauen nicht mehr traut, lässt er sich jede Nacht eine Jungfrau aus gutem Hause zuführen und lässt sie am nächsten Morgen köpfen. Diesem Morden will Scheherazade ein Ende machen, indem sie dem König Geschichten erzählt. Aladin, der von einem Magier mit einem magischen Ring ausgestattet wird, soll eine Wunderlampe in einer Grotte holen. Er muss allerlei Gefahren und Prüfungen überstehen, bis er endlich seine geliebte Prinzessin in den Palast führen kann.

Den erotischen Teil des Werkes bringt uns Barbara Metz näher. Die Anzahl der Liebesgeschichten in 1001 Nacht ist groß und ganz verschiedener Art. Die erste Gruppe ist die der altarabischen aus der Zeit vor dem Islam. Sie sind meist kurz und in ihnen wird reine Liebe und Treue bis zum Tode geschildert. Die zweite Gruppe stammt aus Basra und Bagdad. Das Liebesleben wird teils zu Liebesabenteuern, die liebenden Männer schleichen sich in Häuser oder Paläste zu den schönen Sklavinnen. In der Wüste handelt es sich um freie Mädchen, eine etwas dekadente Frivolität macht sich bemerkbar. Die dritte Gruppe ist wohl in Kairo entstanden. In ihnen ist Laszivität nichts Ungewöhnliches mehr. Von Schmerz und Trennung, von der Sehnsucht nach der Geliebten wird oft gesungen, gemeint sind die "Asra", die wegen Liebe sterben. Auch Heine hat in seinem Lied Der Asra, vorgetragen von Barbara Metz, den liebenden Mann geehrt.
Das, was für uns Deutsche Goethe bedeutet, ist für die Perser der Dichter Hafis. Almut Rose bringt uns den Poeten näher. Hafis lebte im 14. Jh. in Schiras. Dort ist auch sein Grab, zu dem heute noch Hunderttausende pilgern. Seine Popularität liegt an den Inhalten seiner Gedichte, die sich hauptsächlich mit der Liebe und dem Wein beschäftigen. Er verwendet ein besonderes Versmaß, die Ghasele. Wir hören zwei Gedichte aus dem "Divan" von Hafis. Leicht ist die Lieb und Schimmer des Gesichtes, beide Gedichte werden in Deutsch von Almut Rose vorgetragen. Anschließend werden sie in Persisch vorgetragen von Zeinab Miranzadeh. Die arabische Schrift zeigt uns Mohammad Mousavi an einer Tafel.


Karl May war nie in Amerika und nie im Orient, trotzdem sind seine Bücher so populär geworden. Umso verwunderlicher ist es, dass er einen schiitischen Leichenzug in Nadschef eindrucksvoll schildert. Dort befindet sich das Grab von Imam Ali, dem höchsten Heiligen der Schiiten.
Manfred Mattner liest uns die Passage vor. Von allen Seiten werden Tote herbeigeschleppt, die in ein Tuch eingeschlagen auf einer Bahre transportiert werden. Da die Toten schon lange liegen, verbreitet sich bei der Hitze ein unsäglicher Geruch der Verwesung über das Land. Schätze begleiten die Toten, kostbarer Schmuck und Kelche besetzt mit Edelsteinen und vieles mehr. Räuber lauern begierig auf eine Gelegenheit, diese Schätze zu rauben. Nach der Pause wenden wir uns der modernen Literatur zu.

Almut Rose hat das Buch Lolita lesen in Teheran von Azar Nafisi ausgesucht. Azar Nafisi wurde 1947 in Teheran geboren, ihr Vater war 6 Jahre lang Bürgermeister von Teheran. Mit 13 Jahren ging sie nach London, beendete die Schule und studierte in Amerika englische und amerikanische Literatur. 1977 heiratete sie ihren Ehemann Nafisi, kehrte 1979 nach Teheran zurück. Dort lehrte sie amerikanische Literatur an der Universität. Die politische Lage spitzte sich zu und amerikanische Literatur war angeblich Gift für die Jugend. Sie wurde als Professorin entlassen. Danach lud sie sieben interessierte Frauen zu sich nach Hause ein, um mit ihnen über Freiheit und Selbstständigkeit und über westliche Literatur zu diskutieren. Nach der Veröffentlichung 2005 trat ihr Buch Lolita lesen in Teheran einen Siegeszug um die Welt an und wurde in viele Sprachen übersetzt.

Der irakische Schriftsteller Abbas Khider wurde 1973 in Bagdad geboren. Seit seinem19. Lj. Ist er wegen politischer Aktivitäten gegen Saddam Hussein insgesamt 11 mal verhaftet worden. Während seiner Haftzeit von 1993 bis 1995 wurde er mehrfach gefoltert. 1996 flüchtete er aus dem Irak und lebt mit illegaler Aufenthalt als Flüchtling in verschiedenen Ländern, wie Jordanien, Libanon, Libyen, Türkei, Griechenland und Italien. Seit 2000 lebt er seitdem in Berlin. Khider nennt "Flucht, Exil, die Zerstörung der Person" als sein literarisches Programm. Seine Erlebnisse während der Haft schildert er in seinem Buch Die Orangen des Präsidenten (2011). Claudia Weishäupl trägt eine Passage daraus vor. Nach unglaublichen Qualen, Demütigungen und ständigem Hunger haben die Gefangenen die Hoffnung auf eine Amnestie an Saddams Geburtstag, dem 28. April. Am Tag des Geburtstags erscheint der General mit einem Karton. Erwartungsvoll treten alle Gefangenen an. Als der General den Karton öffnet, erblicken sie leuchtende Orangen. In unbändigem Hass schlagen sie den Mann nieder. Ihre endgültige Befreiung erfolgte viel später durch amerikanische Truppen.


Nach der 2. Pause bot der LiteraturTreff ein neues Format an, eine Podiumsdiskussion mit Almut Rose, Dieter Körber und Hans Kärcher. Im Rahmen eines literarischen Streitgesprächs soll untersucht werden, inwieweit Goethe in seinem West-östlichen Diwan Gedichte von Hafis übernommen hat oder umgereimt hat. Auch Gedichte seiner Altersmuse Marianne von Willemer hat er in die Sammlung aufgenommen. Die Verknüpfung von Leidenschaft und Geist hat Goethe bei Hafis beeindruckt. Eine Gegenmeinung lautete, das der West-östliche Diwan eine Sammlung ‚schwülstiger Ergüsse' sei.
Leider wurde die Diskussion durch einen betrunkenen Störenfried jäh angebrochen. Mit viel Applaus bedankten sich die Zuhörer für diesen abwechslungsreichen und informativen Abend, den die Mitwirkenden mit viel Begeisterung gestaltet haben. Besonderer Dank gilt Almut Rose und Hans Kärcher für die Organisation.

Unser nächster Abend findet statt am
Donnerstag, 26. Juli 2018 um 19:00 Uhr im KUHtelier
über die beiden Schriftsteller Hermann Burger und Elfriede Jelinek


Renate Gasser