Karbener LiteraturTreff e.V.



Bericht vom 26. Oktober 2017
Briefe in der Literatur



Ort: KUHtelier, Groß Karben, im Schlosshof von Leonhardi
Zeit: 19.00 - 22:25 Uhr
Anwesende: 40 Personen

Nach der Begrüßung durch Hans-Martin Thomas übernahm Dieter Körber die Moderation. Gemeinsam haben Dieter Körber und Hans Kärcher diesen Abend vorbereitet, den Organisatoren sagen wir herzlichen Dank.
Die musikalische Begleitung gestaltet Martina Riedel mit schwungvollen Stücken am Klavier. Wir hören u.a. Der Schmetterling, Windy autumn und Misty und vieles mehr.
Barbara Metz beginnt mit zwei Briefen von Madame de Staël (1766 - 1817). Madame de Staël gibt ihre Eindrücke Von einer Reise nach Deutschland wieder. Sie, die Tochter des Schweizer Bankiers und Finanzministers, galt lange Zeit als die ungekrönte Herrscherin Europas. 1802 beteiligte sie sich an Umtrieben gegen Napoleon, daher wurde ihr der Aufenthalt in Paris untersagt. Daraufhin unternahm sie eine halbjährige Reise durch Deutschland und schilderte in den Briefen ihre Eindrücke. Im ersten Brief vom 19. November 1803 aus Frankfurt schreibt sie, die Deutschen sind neugierig und wenig vorsichtig. Alles ist schwierig außerhalb Frankreichs. Drei Wochen später schreibt sie am 15. Dezember 1803 im zweiten Brief aus Weimar, dass sie bestens behandelt wird (der Herzog von Weimar ist mit ihrem Vater befreundet). Sie trifft die großen Dichter wie Goethe, Schiller , Wieland und meint, die Frauen in Deutschland seien bemerkenswert kultiviert.
Robert Axt gibt uns Einblicke in Rainer Maria Rilkes (1875 - 1926) Briefe an seine Mutter. Rilke war geprägt durch die schwierige Familienkonstellation. Er stand zwischen dem schwachen Vater Josef und der dominanten Mutter Sophie, von der er lebenslang abhängig war. Von den 1134 Briefen hören wir einen Brief, den er drei Tage nach Kriegsausbruch am 31.4.1914 aus Leipzig schrieb. Deutschland sei ein Barbarenland, er wolle nach München reisen, um Lou Andreas Salome zu treffen. An Weihnachten 2014 schreibt er aus Berlin, dass in allen Familien Männer und Söhne im Krieg sind. Er will Weihnachten allein verbringen, so fühle er auch die Nähe der Mutter. Im dritten Brief am 25.12.1915 bittet Rilke die Mutter um Nachsicht und Verständnis, wenn er ihren Brief nicht sofort beantwortet. Auch Friedrich Nietzsche (1844 - 1900) war mit Lou Andreas Salome (1861 - 1937) befreundet.

Karin Schrey gibt uns Einblick in den Briefwechsel. Nietzsche lernte die 21jährige LA Salome kennen und war von ihr sehr beeindruckt. Trotzdem schrieb der Philosoph am 26. Juni 1882, er will ihr Lehrer sein und gibt ihr Ratschläge zum Vortragen. Am 3. Juli 1882 antwortet LA Salome, dass ihr Himmel hell sei, seitdem er sie berät. Sie will aber nicht nur mit Nietzsche befreundet sein. Sie will Freiheit und Gleichheit und lieber eine Ménage à trois.

Mit Briefen Über den Pazifismus von Hermann Hesse (1877 - 1962) befasst sich Walter Enslin. Der Nachlass des deutsch-Schweizer Schriftstellers umfasst 35000 Briefe. In den Jahren 1918 bis 1933 schrieb er jährlich 1000 Briefe. Unter dem Eindruck des 1. Weltkrieges äußerte er sich oft über den Frieden. Wenn Krieg ist, sehnt sich jeder nach Frieden. Jeder soll nachdenken, dann wird man einen Weg zum Frieden finden. Er empfindet sich als ‚Fühler' für die Zukunft, jede Neuerung wird durch Fühlen, Wagen und Hoffen kommen. Die Wehrdienstverweigerer sollten zivile Dienste übernehmen.


Dieter Körber und Hans Kärcher beschäftigen sich mit dem Briefwechsel zwischen Max Born (1882 - 1970) und Albert Einstein (1879 - 1955) . Beide sind Juden, Physiker und Mathematiker und beide haben den Nobelpreis erhalten. Hans Kärcher zeigt uns eindrucksvolle Plakate der beiden Physiker. Bei einem Kongress in Bad Nauheim begegnete Einstein seinem Kollegen Lennart im September 1920. Es kam zum Eklat. Einstein meinte, bei mir wird alles zum Zeitungsgeschrei, jeder muss am Altar der Dummheit Opfer bringen. Born ist 1933 nach Edinburgh gegangen. In einem Brief an ihn befürchtete Einstein den 2. Weltkrieg. Auch zum Abwurf der Atombombe auf Nagasaki meinte er 1944, wir sind in eine üble Sache geraten.

Aus Briefen des bedeutendsten Romanciers Thomas Mann (1875 - 1955) liest Fritz Böhner Ein Familienporträt. 1938 emigrierte die Familie zuerst nach Zürich, später in die USA. Aus der Briefsammlung hören wir einen Brief von Thomas Mann an seinen Sohn Klaus, Sergeant in der amerikanischen Armee. Am 27.4.1943 schrieb Thomas Mann, der Krieg verändert die Familie. Er zollt seinem Sohn Anerkennung und erwartet, dass er bald Leutnant wird. Im zweiten Brief schrieb Klaus Mann an seine Mutter Katja und seine Schwester Erika am 20. Mai 1949, dass es ihm gut geht und dass er einen neuen Roman plant. Am nächsten Tag hat er sich das Leben genommen.

Nach der Pause widmet sich Almut Rose Sigmund Freuds (1856 - 1939) Briefen An die Kinder. Der berühmte Psychoanalytiker war zwar kein Vater im Alltag, aber in Augenblicken materieller Unsicherheit oder seelischer Verzweiflung stand er ihnen zur Seite. Der erste Brief richtet sich an den Schwiegersohn. Seine Frau, also Freuds Tochter, starb an einer Lungenentzündung nach der Geburt des dritten Kindes. Freud tröstete den Schwiegersohn und mahnte, dass er sich dem Schicksal beugen muss. Ein Jahr vor seinem Tod schrieb er seinem Sohn Ernst, dass sie nach England ausreisen wollen. Er hofft, sie alle wieder beisammen zu sehen und in Freiheit zu sterben.

Hans Kärcher zitiert aus den Bäsle-Briefen von Wolfgang Amadeus Mozart (1756 - 1791). Diese Briefe an seine Cousine sind mit Wortspielereien gespickt, humorvoll, ironisch und manchmal anrüchig. Es klingt fast wie Poetry Slam.
Claudia Weishäupl stellt uns Kurt Tucholskys (1890 - 1935) Brief An den Staatsanwalt vor. Der bekannte Satiriker und politisch engagierte Journalist schrieb unter dem Pseudonym Peter Panter einen fiktiven Brief an einen Staatsanwalt. Er habe gegen den § 184 verstoßen, weil er ein Buch mit unzüchtigen Bildern gekauft habe. Dieses habe er in einer Laube versteckt.

Aus dem Briefwechsel zwischen Thomas Bernhard (1931 - 1989) und Siegfried Unseld (1924 - 2002) lesen Dieter Körber und Hans Kärcher. Der Briefwechsel zwischen Thomas Bernhard und seinem Verleger Siegfried Unseld ist ein einzigartiges Dokument der ‚gegenseitigen Hassliebe'. Hier erlebt man die Finessen, die Ausdauer und die Großzügigkeit Unselds und das Ego, die Verletzlichkeit und die Besessenheit des Schriftstellers Bernhard.
Dieter Körber dankt allen Mitwirkenden für das facettenreiche Programm.

Unsere letzte Veranstaltung in diesem Jahr findet statt
am 30. November 2017 um 19:00 Uhr zum Thema
Facetten der Liebe in der Literatur
Wie immer im KUHtelier.


Renate Gasser